Kandidatenvorstellung Bezirksoberschützenmeister

Vorwort

Liebe Schützenschwestern und Schützenbrüder,

wie Sie vielleicht mitbekommen haben, verlief die letzte Ausschusssitzung etwas turbulenter als gewohnt. Im Nachgang dazu möchte ich zunächst betonen, dass ich die Kritik vollumfänglich annehme: Ein so einschneidender Schritt wie der von mir vorgeschlagene muss ausführlich und transparent begründet werden. Genau das möchte ich heute tun.

Lassen Sie mich eines klarstellen: Es liegt nicht an mir, davon überzeugt zu werden, den Bezirk in seiner jetzigen Form zu erhalten. Vielmehr sollten meine Mitbewerber überzeugende Argumente liefern, warum eine zusätzliche Verwaltungsebene, die ihre ursprüngliche Funktion verloren hat, weiterhin existieren sollte. Die Beweislast für den Mehrwert des Bezirks liegt bei denjenigen, die den Status quo beibehalten wollen.

Und selbstverständlich ist mir bewusst: Der Bezirksoberschützenmeister kann und wird nicht im Alleingang über solch weitreichende Schritte entscheiden. Unsere Satzung regelt klar, dass über die Zukunft des Bezirks letztendlich die Mitgliedsvereine entscheiden. Meine Kandidatur verstehe ich als Mandat, einen strukturierten Diskussions- und Entscheidungsprozess einzuleiten, an dessen Ende die Vereine souverän über ihren weiteren Weg bestimmen.

Mit diesen klärenden Worten möchte ich Ihnen nun meine Vision für eine ehrliche und verantwortungsvolle Zukunft unseres Schützenwesens vorstellen.

Thomas Stoll
Thomas Stoll

Seit über 40 Jahren im Schützenwesen aktiv. Seit 18 Jahren Vorstand beim Schützenverein Oberteuringen, seit 2 Jahren Kreisoberschützenmeister im Schützenkreis Bodensee.

Seit 2018 lebe und arbeite ich in der Schweiz.

Meine Vision: Ehrlichkeit und Verantwortung

Heute stelle ich mich Ihnen als Kandidat für das Amt des Bezirksoberschützenmeisters vor - allerdings mit einem ungewöhnlichen Vorhaben.

Anders als meine Vorgänger und Mitbewerber kandidiere ich nicht, um den Bezirk weiterzuführen, sondern um einen geordneten Abwicklungsprozess einzuleiten. Diese Position mag überraschen, basiert jedoch auf einer sachlichen Analyse der aktuellen Situation:

Die Faktenlage:
Sportliche Relevanz:

Der Bezirk hat seine sportliche Bedeutung vollständig verloren, da die Bezirksmeisterschaften als Qualifikation weggefallen sind. Die erste ohne Aufstiegsmöglichkeit ausgeschriebene Meisterschaft musste aufgrund zu geringer Anmeldezahlen abgesagt werden. Auch der zweite Versuch blieb deutlich hinter den Erwartungen zurück.

Auch das Argument, der Bezirk wäre für die Bezirksligen notwendig, ist nicht stichhaltig. Es wäre nicht der erste Bezirk, der sich auflöst. Aus den anderen Bezirksligen wurden Regionsligen - es bleibt alles gleich, nur der Name ist anders und es wird von Stuttgart aus koordiniert und die Erfahrung zeigt, dass es besser läuft.

Keine Notwendigkeit für waffenrechtliche Bedürfnisse:

Vom Innenministerium gibt es die klare Aussage, dass Vereins- und Kreismeisterschaften ausreichen, um das waffenrechtliche Bedürfnis für Waffen über das Grundkontingent hinaus zu begründen. Bezirksmeisterschaften sind hierfür nicht erforderlich.

Personalmangel und Ämterhäufung:

Viele Kreise haben bereits massive Probleme, wichtige Ämter zu besetzen. Bei vielen Funktionären ist eine Ämterhäufung bereits die Regel. Selbst die aktuelle Besetzung des Bezirksvorstands besteht aus Ämterhäufung und "kommissarisch Tätigen". Ein Jugendleiter wurde gar nicht gefunden. Dieses "kommissarische" und "ich mache ein bisschen was" ist reine Augenwischerei. Es ist völlig sinnlos, eine solche zusätzliche Verwaltungsebene aufrechtzuerhalten.

Finanzielle Situation:

Die Finanzen befinden sich in einem desolaten Zustand, wie die vorliegende Finanzanalyse deutlich zeigt. Der Bezirk ist seit Jahren defizitär. Die finanzielle Situation wird noch angespannter, da die Beitragsrückflüsse des Verbands wegfallen und der Bezirk sich nun vollständig mit den Meisterschaften und Ligen finanzieren muss.

Die Dimension verdeutlicht folgende Zahl: Von 2015 bis 2023 flossen 50.958,55 EUR vom Verband zum Bezirk. Damit waren die Kosten für die Bezirksschützentage und das Schützenmeisteramt gedeckt. Damit sollte auch das Argument, der Verband wolle nur Geld von den Untergliederungen abziehen, vollständig entkräftet sein: Wie den Geschäftsberichten zu entnehmen ist, kam bislang nur Geld aus Stuttgart. Die Zahlungen an den Verband liegen bei 0.

Der kürzlich vorgestellte erste Entwurf eines Haushaltsplans setzt den bisherigen Kurs mit Anpassungen bei den Einnahmen fort. Damit beschreitet man jedoch den Weg in die Pleite - und das sogar mit Ansage.

Demographische Entwicklung und Zukunftsperspektive:

Wo soll der Bezirk in 5 oder 10 Jahren stehen? Die demographische Entwicklung kommt unaufhaltsam auf uns zu und wird spürbare gesellschaftliche Veränderungen mit sich bringen. Bereits jetzt ist das Schützenwesen deutlich überaltert, wie die Altersstruktur in unseren Vereinen unmissverständlich zeigt. Die Nachwuchsgewinnung gestaltet sich zunehmend schwieriger, während langjährige Mitglieder aus Altersgründen ausscheiden. Dieser Trend wird sich in den kommenden Jahren noch verstärken. Statt diese Realität zu ignorieren und an überholten Strukturen festzuhalten, sollten wir unsere begrenzten Ressourcen gezielt dort einsetzen, wo sie die größte Wirkung entfalten können: in der direkten Unterstützung der Vereine und ihrer Nachwuchsarbeit. Eine zusätzliche Verwaltungsebene, die vorwiegend von älteren Funktionären getragen wird und kaum Mehrwert für die sportliche Entwicklung bietet, steht dieser notwendigen Fokussierung im Weg.

Von der Veränderung zur Stärkung

Veränderung bedeutet nicht das Ende, sondern die Chance auf einen Neuanfang. Mit der Auflösung des Bezirks wird nicht etwas beendet, sondern etwas Neues, Effizienteres und Zukunftsfähigeres geschaffen.

Die Zeit nach dem Bezirk:
Stärkung der Kreise als zentrale Säulen:

Die Kreise werden die eigentlichen Gewinner dieser Strukturreform sein. Durch den Wegfall der Bezirksebene können wir personelle und finanzielle Ressourcen gezielt dort einsetzen, wo sie direkten Nutzen stiften. Die Kreise erhalten mehr Autonomie und können ihre Aktivitäten besser auf die regionalen Bedürfnisse abstimmen.

Direktere Verbindung zum Landesverband:

Durch den Wegfall einer Verwaltungsebene entsteht eine direktere Kommunikation zwischen den Kreisen und dem Landesverband. Informationen, Unterstützung und Förderung können ohne Umwege fließen -- ein klarer Gewinn an Effizienz und Transparenz.

Bewahrung und Pflege unserer Traditionen:

Die Tradition ist vielen Mitgliederinnen und Mitgliedern ein besonders wichtiges Anliegen - und das zu Recht. Die Auflösung des Bezirks bedeutet keineswegs das Ende unserer wertvollen Traditionen. Im Gegenteil: Wir können neue Formate entwickeln, die unseren Traditionen einen würdigen Rahmen geben.

Als ersten Denkanstoß könnte ich mir beispielsweise einen "Oberschwäbischen Schützentag" vorstellen - dies ist jedoch nur eine von vielen möglichen Ideen, die gemeinsam entwickelt und ausgestaltet werden müssten. Ein solches Format könnte etwa alle zwei Jahre stattfinden.

Bei einem solchen festlichen Anlass könnten:

  • die Kreise über ihre Aktivitäten berichten
  • Ehrungen im großen und feierlichen Rahmen durchgeführt werden
  • ein traditioneller Schützenball das Gemeinschaftsgefühl stärken
  • kulturelle Elemente des Schützenwesens gepflegt werden

Dabei sollen die Kreise und Vereine ausdrücklich eingeladen sein, sich aktiv an der Ideenfindung zu beteiligen und ihre Vorstellungen von Tradition mit einzubringen. Dieser neue Rahmen könnte sogar stärker auf die Traditionspflege ausgerichtet sein als bisher, da er sich ausschließlich diesem Aspekt widmen würde.

Mein Versprechen

Falls Sie mich wählen, werde ich:

  • einen transparenten Auflösungsprozess gestalten
  • die verbleibenden Ressourcen sinnvoll für die Mitglieder verwenden
  • dafür sorgen, dass die wertvollen Traditionen unseres Schützenwesens auf lokaler Ebene, in den Kreisen, weiterleben können

Diese Kandidatur ist kein leichtfertiger Schritt, sondern das Ergebnis reiflicher Überlegung.

Manchmal erfordert verantwortungsvolles Handeln auch unbequeme Entscheidungen. Ich bin überzeugt, dass wir gemeinsam einen würdigen Abschluss finden können, der unsere Schützengemeinschaft stärkt statt schwächt.

Mit kameradschaftlichen Grüßen

Thomas Stoll

Finanzübersicht Schützenbezirk Oberschwaben 2015-2024
Jährliche Finanzentwicklung
Jahr Kontostand Jahresanfang Einnahmen Ausgaben Kontostand Jahresende Differenz
2015 46.338,03 € 35.666,94 € 28.067,27 € 53.937,70 € +7.599,67 €
2016 53.937,70 € 32.231,32 € 29.998,06 € 56.170,96 € +2.233,26 €
2017 56.170,96 € 31.085,60 € 35.578,55 € 51.678,01 € -4.492,95 €
2018 51.678,01 € 32.941,23 € 27.567,71 € 57.051,53 € +5.373,52 €
2019 57.051,53 € 31.191,47 € 40.814,36 € 47.428,64 € -9.622,89 €
2020 47.428,64 € 12.796,95 € 18.335,76 € 41.889,83 € -5.538,81 €
2021 41.889,83 € 11.591,56 € 8.481,84 € 44.999,55 € +3.109,72 €
2022 44.999,55 € 12.514,60 € 23.337,16 € 34.176,99 € -10.822,56 €
2023 34.176,99 € 13.914,35 € 17.512,06 € 30.579,28 € -3.597,71 €
2024 30.579,28 € 14.971,70 € 26.996,42 € 18.584,56 € -11.994,72 €
Gesamt 228.905,72 € 256.689,19 € -27.753,47 €
Gesamtübersicht der Einnahmen nach Kategorien
Kategorie Summe 2015-2024
WSV Beitragsrückfluss 50.958,55 €
Startgelder BM 90.920,75 €
Startgelder BL/BOL 38.580,00 €
Jugend 140,00 €
Inserate/Werbung 8.485,00 €
Ehrungen/Jubiläum 2.332,10 €
Silbertaler (nur 2015) 5.189,72 €
Sonstiges 1.599,30 €
Gesamteinnahmen 228.905,72 €
Gesamtübersicht der Ausgaben nach Kategorien
Kategorie Summe 2015-2024
Bezirksschützentag 27.369,89 €
Bezirksmeisterschaft 91.759,37 €
Bezirksliga/Bezirksoberliga 18.766,07 €
Jugend 11.065,71 €
Vergleichsschießen 4.798,45 €
Verwaltung/Inserate 20.948,83 €
Schützenmeisteramt 35.914,49 €
Ausschussmitglieder 424,43 €
Ehrungen/Jubiläum 15.058,17 €
Sonstiges 15.498,20 €
Senioren 190,48 €
Förderpreis 5.170,06 €
Gesamtausgaben 256.689,19 €
Finanzsituation im Zeitverlauf

Die Finanzsituation des Schützenbezirks Oberschwaben hat sich im Betrachtungszeitraum von 2015 bis 2024 wie folgt entwickelt:

  • Startkapital (31.12.2014): 46.338,03 €
  • Endkapital (31.12.2024): 18.584,56 €
  • Gesamtveränderung: -27.753,47 € (-59,9%)

In den Jahren 2015, 2016, 2018 und 2021 wurden Überschüsse erwirtschaftet, während in den Jahren 2017, 2019, 2020, 2022, 2023 und 2024 Defizite entstanden sind.

Bemerkenswert ist insbesondere der starke Rückgang der Einnahmen ab 2020, was möglicherweise auf Einschränkungen durch die Corona-Pandemie zurückzuführen ist. Die durchschnittlichen jährlichen Einnahmen sanken von ca. 32.623 € (2015-2019) auf ca. 13.158 € (2020-2024).

Besonders auffällig sind die hohen Defizite in den Jahren 2022 (-10.822,56 €) und 2024 (-11.994,72 €), die maßgeblich zum Gesamtrückgang des Vermögens beigetragen haben.

Die demographische Entwicklung

Die demographische Entwicklung in Deutschland hat bereits heute spürbare Auswirkungen auf das Ehrenamt und wird in den kommenden Jahren noch stärkere Effekte zeigen. Hier sind die wichtigsten Entwicklungen:

Gegenwärtige und kurzfristige Auswirkungen
Alterung der Engagierten

Der Anteil älterer Ehrenamtlicher steigt, während jüngere Engagierte tendenziell abnehmen. Besonders in ländlichen Regionen ist dies bereits deutlich spürbar.

Regionale Unterschiede

In strukturschwachen und vom Bevölkerungsrückgang betroffenen Regionen gibt es bereits jetzt Schwierigkeiten, ehrenamtliche Positionen zu besetzen.

Wandel der Engagementformen

Kurzfristige, projektbezogene Engagements werden beliebter, während langfristige Verpflichtungen schwieriger zu besetzen sind.

Mittelfristige Effekte (bis ca. 2030)
Lücken in der Versorgung

In etwa 5-10 Jahren werden viele engagierte "Babyboomer" aus dem aktiven Ehrenamt ausscheiden, wodurch Lücken in zentralen Bereichen wie Feuerwehr, Rettungsdienst und Vereinsstrukturen entstehen könnten.

Zunehmender Druck auf wohlfahrtsstaatliche Leistungen

Da weniger Menschen für mehr Ältere sorgen müssen, steigt der Bedarf an ehrenamtlicher Unterstützung in der Pflege und Betreuung.

Digitalisierung des Ehrenamts

Die Digitalisierung wird als Antwort auf den demographischen Wandel weiter voranschreiten und neue Formen des Engagements ermöglichen.

Langfristige Entwicklungen (ab 2030)
Struktureller Wandel

In vielen Organisationen wird ein grundlegender Wandel der Strukturen notwendig sein, um mit weniger und älteren Ehrenamtlichen auszukommen.

Integration neuer Bevölkerungsgruppen

Die Einbindung von Menschen mit Migrationshintergrund ins Ehrenamt wird an Bedeutung gewinnen.

Professionalisierung

Einige bisher ehrenamtlich erbrachte Leistungen könnten zunehmend professionalisiert werden, besonders in systemrelevanten Bereichen.

Eine besondere Herausforderung liegt darin, dass die Auswirkungen des demographischen Wandels regional sehr unterschiedlich ausfallen werden. Während in Großstädten und wirtschaftlich starken Regionen weiterhin ausreichend Potenzial für ehrenamtliches Engagement bestehen könnte, werden ländliche und strukturschwache Regionen vor erheblichen Herausforderungen stehen.

Die aktuelle Situation im deutschen Schützenwesen

Das Durchschnittsalter in deutschen Schützenvereinen liegt aktuell bei etwa 50-55 Jahren, wobei es regionale Unterschiede gibt. Schützenvereine gehören zu den Organisationen mit einem besonders hohen Altersdurchschnitt im deutschen Vereinswesen.

Einige relevante Fakten:
  • In vielen ländlichen Schützenvereinen liegt der Altersdurchschnitt noch höher, teilweise bei über 60 Jahren
  • Besonders Führungspositionen in Schützenvereinen werden überwiegend von Mitgliedern im Alter von 55+ Jahren besetzt
  • Es gibt ein deutliches "Nachwuchsproblem" - die Altersgruppe unter 40 Jahren ist in den meisten Vereinen unterrepräsentiert
  • Der Deutsche Schützenbund (DSB) verzeichnet seit Jahren einen kontinuierlichen Anstieg des Durchschnittsalters seiner Mitglieder

Die Überalterung stellt Schützenvereine vor besondere Herausforderungen, da traditionelle Strukturen und Bräuche für jüngere Generationen oft weniger attraktiv erscheinen. Viele Vereine haben daher begonnen, ihre Angebote zu modernisieren und die Jugendarbeit zu intensivieren, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken.