Liebe Schützenschwestern und Schützenbrüder,
wie Sie vielleicht mitbekommen haben, verlief die letzte Ausschusssitzung etwas turbulenter als gewohnt. Im Nachgang dazu möchte ich zunächst betonen, dass ich die Kritik vollumfänglich annehme: Ein so einschneidender Schritt wie der von mir vorgeschlagene muss ausführlich und transparent begründet werden. Genau das möchte ich heute tun.
Lassen Sie mich eines klarstellen: Es liegt nicht an mir, davon überzeugt zu werden, den Bezirk in seiner jetzigen Form zu erhalten. Vielmehr sollten meine Mitbewerber überzeugende Argumente liefern, warum eine zusätzliche Verwaltungsebene, die ihre ursprüngliche Funktion verloren hat, weiterhin existieren sollte. Die Beweislast für den Mehrwert des Bezirks liegt bei denjenigen, die den Status quo beibehalten wollen.
Und selbstverständlich ist mir bewusst: Der Bezirksoberschützenmeister kann und wird nicht im Alleingang über solch weitreichende Schritte entscheiden. Unsere Satzung regelt klar, dass über die Zukunft des Bezirks letztendlich die Mitgliedsvereine entscheiden. Meine Kandidatur verstehe ich als Mandat, einen strukturierten Diskussions- und Entscheidungsprozess einzuleiten, an dessen Ende die Vereine souverän über ihren weiteren Weg bestimmen.
Mit diesen klärenden Worten möchte ich Ihnen nun meine Vision für eine ehrliche und verantwortungsvolle Zukunft unseres Schützenwesens vorstellen.
Seit über 40 Jahren im Schützenwesen aktiv. Seit 18 Jahren Vorstand beim Schützenverein Oberteuringen, seit 2 Jahren Kreisoberschützenmeister im Schützenkreis Bodensee.
Seit 2018 lebe und arbeite ich in der Schweiz.
Heute stelle ich mich Ihnen als Kandidat für das Amt des Bezirksoberschützenmeisters vor - allerdings mit einem ungewöhnlichen Vorhaben.
Anders als meine Vorgänger und Mitbewerber kandidiere ich nicht, um den Bezirk weiterzuführen, sondern um einen geordneten Abwicklungsprozess einzuleiten. Diese Position mag überraschen, basiert jedoch auf einer sachlichen Analyse der aktuellen Situation:
Der Bezirk hat seine sportliche Bedeutung vollständig verloren, da die Bezirksmeisterschaften als Qualifikation weggefallen sind. Die erste ohne Aufstiegsmöglichkeit ausgeschriebene Meisterschaft musste aufgrund zu geringer Anmeldezahlen abgesagt werden. Auch der zweite Versuch blieb deutlich hinter den Erwartungen zurück.
Auch das Argument, der Bezirk wäre für die Bezirksligen notwendig, ist nicht stichhaltig. Es wäre nicht der erste Bezirk, der sich auflöst. Aus den anderen Bezirksligen wurden Regionsligen - es bleibt alles gleich, nur der Name ist anders und es wird von Stuttgart aus koordiniert und die Erfahrung zeigt, dass es besser läuft.
Vom Innenministerium gibt es die klare Aussage, dass Vereins- und Kreismeisterschaften ausreichen, um das waffenrechtliche Bedürfnis für Waffen über das Grundkontingent hinaus zu begründen. Bezirksmeisterschaften sind hierfür nicht erforderlich.
Viele Kreise haben bereits massive Probleme, wichtige Ämter zu besetzen. Bei vielen Funktionären ist eine Ämterhäufung bereits die Regel. Selbst die aktuelle Besetzung des Bezirksvorstands besteht aus Ämterhäufung und "kommissarisch Tätigen". Ein Jugendleiter wurde gar nicht gefunden. Dieses "kommissarische" und "ich mache ein bisschen was" ist reine Augenwischerei. Es ist völlig sinnlos, eine solche zusätzliche Verwaltungsebene aufrechtzuerhalten.
Die Finanzen befinden sich in einem desolaten Zustand, wie die vorliegende Finanzanalyse deutlich zeigt. Der Bezirk ist seit Jahren defizitär. Die finanzielle Situation wird noch angespannter, da die Beitragsrückflüsse des Verbands wegfallen und der Bezirk sich nun vollständig mit den Meisterschaften und Ligen finanzieren muss.
Die Dimension verdeutlicht folgende Zahl: Von 2015 bis 2023 flossen 50.958,55 EUR vom Verband zum Bezirk. Damit waren die Kosten für die Bezirksschützentage und das Schützenmeisteramt gedeckt. Damit sollte auch das Argument, der Verband wolle nur Geld von den Untergliederungen abziehen, vollständig entkräftet sein: Wie den Geschäftsberichten zu entnehmen ist, kam bislang nur Geld aus Stuttgart. Die Zahlungen an den Verband liegen bei 0.
Der kürzlich vorgestellte erste Entwurf eines Haushaltsplans setzt den bisherigen Kurs mit Anpassungen bei den Einnahmen fort. Damit beschreitet man jedoch den Weg in die Pleite - und das sogar mit Ansage.
Wo soll der Bezirk in 5 oder 10 Jahren stehen? Die demographische Entwicklung kommt unaufhaltsam auf uns zu und wird spürbare gesellschaftliche Veränderungen mit sich bringen. Bereits jetzt ist das Schützenwesen deutlich überaltert, wie die Altersstruktur in unseren Vereinen unmissverständlich zeigt. Die Nachwuchsgewinnung gestaltet sich zunehmend schwieriger, während langjährige Mitglieder aus Altersgründen ausscheiden. Dieser Trend wird sich in den kommenden Jahren noch verstärken. Statt diese Realität zu ignorieren und an überholten Strukturen festzuhalten, sollten wir unsere begrenzten Ressourcen gezielt dort einsetzen, wo sie die größte Wirkung entfalten können: in der direkten Unterstützung der Vereine und ihrer Nachwuchsarbeit. Eine zusätzliche Verwaltungsebene, die vorwiegend von älteren Funktionären getragen wird und kaum Mehrwert für die sportliche Entwicklung bietet, steht dieser notwendigen Fokussierung im Weg.
Veränderung bedeutet nicht das Ende, sondern die Chance auf einen Neuanfang. Mit der Auflösung des Bezirks wird nicht etwas beendet, sondern etwas Neues, Effizienteres und Zukunftsfähigeres geschaffen.
Die Kreise werden die eigentlichen Gewinner dieser Strukturreform sein. Durch den Wegfall der Bezirksebene können wir personelle und finanzielle Ressourcen gezielt dort einsetzen, wo sie direkten Nutzen stiften. Die Kreise erhalten mehr Autonomie und können ihre Aktivitäten besser auf die regionalen Bedürfnisse abstimmen.
Durch den Wegfall einer Verwaltungsebene entsteht eine direktere Kommunikation zwischen den Kreisen und dem Landesverband. Informationen, Unterstützung und Förderung können ohne Umwege fließen -- ein klarer Gewinn an Effizienz und Transparenz.
Die Tradition ist vielen Mitgliederinnen und Mitgliedern ein besonders wichtiges Anliegen - und das zu Recht. Die Auflösung des Bezirks bedeutet keineswegs das Ende unserer wertvollen Traditionen. Im Gegenteil: Wir können neue Formate entwickeln, die unseren Traditionen einen würdigen Rahmen geben.
Als ersten Denkanstoß könnte ich mir beispielsweise einen "Oberschwäbischen Schützentag" vorstellen - dies ist jedoch nur eine von vielen möglichen Ideen, die gemeinsam entwickelt und ausgestaltet werden müssten. Ein solches Format könnte etwa alle zwei Jahre stattfinden.
Bei einem solchen festlichen Anlass könnten:
Dabei sollen die Kreise und Vereine ausdrücklich eingeladen sein, sich aktiv an der Ideenfindung zu beteiligen und ihre Vorstellungen von Tradition mit einzubringen. Dieser neue Rahmen könnte sogar stärker auf die Traditionspflege ausgerichtet sein als bisher, da er sich ausschließlich diesem Aspekt widmen würde.
Falls Sie mich wählen, werde ich:
Diese Kandidatur ist kein leichtfertiger Schritt, sondern das Ergebnis reiflicher Überlegung.
Manchmal erfordert verantwortungsvolles Handeln auch unbequeme Entscheidungen. Ich bin überzeugt, dass wir gemeinsam einen würdigen Abschluss finden können, der unsere Schützengemeinschaft stärkt statt schwächt.
Mit kameradschaftlichen Grüßen
Thomas Stoll
Jahr | Kontostand Jahresanfang | Einnahmen | Ausgaben | Kontostand Jahresende | Differenz |
---|---|---|---|---|---|
2015 | 46.338,03 € | 35.666,94 € | 28.067,27 € | 53.937,70 € | +7.599,67 € |
2016 | 53.937,70 € | 32.231,32 € | 29.998,06 € | 56.170,96 € | +2.233,26 € |
2017 | 56.170,96 € | 31.085,60 € | 35.578,55 € | 51.678,01 € | -4.492,95 € |
2018 | 51.678,01 € | 32.941,23 € | 27.567,71 € | 57.051,53 € | +5.373,52 € |
2019 | 57.051,53 € | 31.191,47 € | 40.814,36 € | 47.428,64 € | -9.622,89 € |
2020 | 47.428,64 € | 12.796,95 € | 18.335,76 € | 41.889,83 € | -5.538,81 € |
2021 | 41.889,83 € | 11.591,56 € | 8.481,84 € | 44.999,55 € | +3.109,72 € |
2022 | 44.999,55 € | 12.514,60 € | 23.337,16 € | 34.176,99 € | -10.822,56 € |
2023 | 34.176,99 € | 13.914,35 € | 17.512,06 € | 30.579,28 € | -3.597,71 € |
2024 | 30.579,28 € | 14.971,70 € | 26.996,42 € | 18.584,56 € | -11.994,72 € |
Gesamt | 228.905,72 € | 256.689,19 € | -27.753,47 € |
Kategorie | Summe 2015-2024 |
---|---|
WSV Beitragsrückfluss | 50.958,55 € |
Startgelder BM | 90.920,75 € |
Startgelder BL/BOL | 38.580,00 € |
Jugend | 140,00 € |
Inserate/Werbung | 8.485,00 € |
Ehrungen/Jubiläum | 2.332,10 € |
Silbertaler (nur 2015) | 5.189,72 € |
Sonstiges | 1.599,30 € |
Gesamteinnahmen | 228.905,72 € |
Kategorie | Summe 2015-2024 |
---|---|
Bezirksschützentag | 27.369,89 € |
Bezirksmeisterschaft | 91.759,37 € |
Bezirksliga/Bezirksoberliga | 18.766,07 € |
Jugend | 11.065,71 € |
Vergleichsschießen | 4.798,45 € |
Verwaltung/Inserate | 20.948,83 € |
Schützenmeisteramt | 35.914,49 € |
Ausschussmitglieder | 424,43 € |
Ehrungen/Jubiläum | 15.058,17 € |
Sonstiges | 15.498,20 € |
Senioren | 190,48 € |
Förderpreis | 5.170,06 € |
Gesamtausgaben | 256.689,19 € |
Die Finanzsituation des Schützenbezirks Oberschwaben hat sich im Betrachtungszeitraum von 2015 bis 2024 wie folgt entwickelt:
In den Jahren 2015, 2016, 2018 und 2021 wurden Überschüsse erwirtschaftet, während in den Jahren 2017, 2019, 2020, 2022, 2023 und 2024 Defizite entstanden sind.
Bemerkenswert ist insbesondere der starke Rückgang der Einnahmen ab 2020, was möglicherweise auf Einschränkungen durch die Corona-Pandemie zurückzuführen ist. Die durchschnittlichen jährlichen Einnahmen sanken von ca. 32.623 € (2015-2019) auf ca. 13.158 € (2020-2024).
Besonders auffällig sind die hohen Defizite in den Jahren 2022 (-10.822,56 €) und 2024 (-11.994,72 €), die maßgeblich zum Gesamtrückgang des Vermögens beigetragen haben.
Die demographische Entwicklung in Deutschland hat bereits heute spürbare Auswirkungen auf das Ehrenamt und wird in den kommenden Jahren noch stärkere Effekte zeigen. Hier sind die wichtigsten Entwicklungen:
Der Anteil älterer Ehrenamtlicher steigt, während jüngere Engagierte tendenziell abnehmen. Besonders in ländlichen Regionen ist dies bereits deutlich spürbar.
In strukturschwachen und vom Bevölkerungsrückgang betroffenen Regionen gibt es bereits jetzt Schwierigkeiten, ehrenamtliche Positionen zu besetzen.
Kurzfristige, projektbezogene Engagements werden beliebter, während langfristige Verpflichtungen schwieriger zu besetzen sind.
In etwa 5-10 Jahren werden viele engagierte "Babyboomer" aus dem aktiven Ehrenamt ausscheiden, wodurch Lücken in zentralen Bereichen wie Feuerwehr, Rettungsdienst und Vereinsstrukturen entstehen könnten.
Da weniger Menschen für mehr Ältere sorgen müssen, steigt der Bedarf an ehrenamtlicher Unterstützung in der Pflege und Betreuung.
Die Digitalisierung wird als Antwort auf den demographischen Wandel weiter voranschreiten und neue Formen des Engagements ermöglichen.
In vielen Organisationen wird ein grundlegender Wandel der Strukturen notwendig sein, um mit weniger und älteren Ehrenamtlichen auszukommen.
Die Einbindung von Menschen mit Migrationshintergrund ins Ehrenamt wird an Bedeutung gewinnen.
Einige bisher ehrenamtlich erbrachte Leistungen könnten zunehmend professionalisiert werden, besonders in systemrelevanten Bereichen.
Eine besondere Herausforderung liegt darin, dass die Auswirkungen des demographischen Wandels regional sehr unterschiedlich ausfallen werden. Während in Großstädten und wirtschaftlich starken Regionen weiterhin ausreichend Potenzial für ehrenamtliches Engagement bestehen könnte, werden ländliche und strukturschwache Regionen vor erheblichen Herausforderungen stehen.
Das Durchschnittsalter in deutschen Schützenvereinen liegt aktuell bei etwa 50-55 Jahren, wobei es regionale Unterschiede gibt. Schützenvereine gehören zu den Organisationen mit einem besonders hohen Altersdurchschnitt im deutschen Vereinswesen.
Die Überalterung stellt Schützenvereine vor besondere Herausforderungen, da traditionelle Strukturen und Bräuche für jüngere Generationen oft weniger attraktiv erscheinen. Viele Vereine haben daher begonnen, ihre Angebote zu modernisieren und die Jugendarbeit zu intensivieren, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken.